
Amazing – auch wenn der Wasserfall fehlt
Heute war ich wandern – den Levada Ribeira da Janela. Ein Weg, den ich schon lange mal wieder gehen wollte. Ganz am Ende läuft man durch einen Tunnel, kühl, feucht, dunkel. Am Ende dieses Tunnels ist diese wunderschöne Schlucht – tief, grün, beeindruckend. Normalerweise fällt hier ein Wasserfall hinab, doch heute war er verschwunden. Kein Rauschen, kein Tropfen, nur die Stille der Berge.
Als wir zurückliefen, kam uns eine Frau entgegen. Sie blieb kurz stehen und fragte auf Englisch:
„Is it amazing?“
Ich war kurz perplex und habe geantwortet:
„Ja, der Wasserfall ist leider nicht da. Aber es ist trotzdem amazing.“
Und während ich weiterging, dachte ich darüber nach, wie verrückt das eigentlich ist. Dieses ständige Höher, schneller, weiter. Lohnt es sich? Ist es amazing genug? Ist es das perfekte Foto für Instagram?
Vielleicht hatte die Frau Angst, durch den Tunnel zu laufen. Vielleicht war sie unsicher, ob sich der Weg lohnt. Aber wenn man schon auf dem Weg ist – warum nicht einfach weitergehen? Einfach schauen, was am Ende wartet.
Da steht man dann mitten in den Bergen, kein Mensch weit und breit. Nur Natur. Und ich frage mich: Wenn das nicht amazing genug ist – was dann?
Als ich nach Madeira gekommen bin, habe ich das Wort „amazing“ sehr oft benutzt – und ich benutze es immer noch.
Meistens für Dinge in der Natur, die mich jedes Mal aufs Neue erstaunen.
Ein Sonnenuntergang. Das Rauschen des Meeres. Die Farbe des Wassers. Das Grün der Bananenblätter im Wind. Alles amazing – wenn man kurz innehält.
Gleichzeitig sehe ich hier auf Madeira oft das Gegenteil: Wege, die gesperrt sind – aus gutem Grund.
Zum Beispiel gefährliche Levadas oder Pfade, bei denen Steinschlag droht oder das Gelände abrutscht.
Und trotzdem klettern Menschen über Absperrungen, einfach weil sie „den Spot“ noch sehen wollen, weil es dort ja so amazing sein soll.
Dabei vergessen viele, dass genau das, was so beeindruckend ist – die wilde, unberührte Natur – auch gefährlich sein kann.
Es gibt also immer zwei Seiten: das Staunen und den Respekt.
Deshalb mache ich so viele Stories, einfach von der Natur. Nicht, weil es ein Insta-Spot ist, sondern weil ich finde, dass jeder Moment es wert ist, gesehen zu werden – auch ohne Risiko.
Also:
Genieß den Moment.
Er kann amazing sein – auch wenn kein Wasserfall da ist.
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