
Warum ich nach Madeira gekommen bin
Bereits während meines Urlaubs auf Madeira, hatte ich mich entschlossen hier für eine Weile leben zu wollen und fuhr mit dem Mietwagen über die Insel, klopfte an Hoteltüren und stellte mich vor: „Ich bin Yogalehrerin und möchte künftig auf Madeira Kurse anbieten.“ Ich hatte den Entschluss gefasst, für einige Monate auf die Insel zurückzukehren, um hier zu leben, zu arbeiten und herauszufinden, ob ich mir ein Leben an diesem Ort wirklich vorstellen kann.
Die Tür zum Hotel Atrio
Eines Tages, es war Januar 2021 – mitten in der Corona-Zeit – fuhr ich zum Hotel Atrio in der Nähe von Calheta. Das Hotel wird von einem französischen Ehepaar geführt, sehr erfolgreich, sehr erfahren. Ich durfte dort Yoga anbieten – und bekam ganz spontan noch ein zweites Angebot: einen Teilzeitjob an der Rezeption.
Da viele der Gäste deutschsprachig sind, suchte das Hotel jemanden, der Deutsch spricht – und ich passte perfekt ins Team. Also sagte ich zu.
Plötzlich Hotelangestellte
Als ich nach Madeira zog, begann ich für 20 Stunden pro Woche im Hotel zu arbeiten – ein halbes Jahr lang. Ich verdiente dabei 390 € netto pro Monat. Auch wenn der aktuelle Mindestlohn in Madeira bei etwa 915 € brutto für Vollzeit liegt, ist das – vor allem aus deutscher Perspektive – insgesamt sehr wenig. Die Lebenshaltungskosten mögen auf der Insel geringer sein, aber für jemanden aus Deutschland fühlt sich dieser Verdienst oft nicht existenzsichernd an.
Das letzte Mal, dass ich in einem Hotel gearbeitet hatte, war mit 21 – während meines Work & Travel-Jahres in Australien, wo ich mehrere Wochen lang Housekeeping gemacht habe. Jetzt, rund 20 Jahre später, kehrte ich in ein Hotel zurück – aber mit einem ganz anderen beruflichen Hintergrund: einem abgeschlossenen Studium, einer Ausbildung, über 20 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit Menschen – und meiner Tätigkeit als Yogalehrerin.
Ich lernte dabei nicht nur viel über Hotellerie, sondern auch über mich selbst. Ich half bei Buchungen, gab Wander- und Mietwagentipps und beantwortete Anfragen von Touristen. Und plötzlich war ich die Person hinter der Theke – zuständig für E-Mails, Anrufe, Gästeempfang.
Krakelige Schrift und erstes Portugiesisch
Ein Teil meiner Aufgabe war, die Bestellungen der Küche zu überprüfen und abzusenden Obst, Gemüse, Milchprodukte – vieles war handschriftlich notiert. Ich erinnere mich noch gut daran, wie schwierig es war, die krakelige Schrift zu entziffern. Viele Begriffe konnte ich einfach nicht entziffern, vor allem wenn man die Wörter noch nie gehört hat oder Abkürzungen verwendet werden. – aber ich mochte diese Art des Lernens. Ins kalte Wasser springen und einfach machen.
Mit der Zeit verstand ich mehr, traute mich zu sprechen und merkte, wie sehr mir dieser Alltag half, mich mit der Sprache und der Kultur zu verbinden.
Mittagspause mit den Gärtnern
Was ich besonders mochte: der Kontakt mit den anderen Angestellten. Viele von ihnen kamen aus Ecuador oder Venezuela, sprachen Spanisch, ich kaum – aber irgendwie verstanden wir uns. In unseren Mittagspausen lachten wir viel, redeten mit Händen und Füßen.
Einer der Gärtner arbeitet heute bei der Müllabfuhr. Wenn ich ihn in Paul do Mar treffe, grüßen wir uns immer noch herzlich. Solche Verbindungen bedeuten mir viel.
Einblick in das echte Leben
Ich habe auch beim Frühstück mitgeholfen – damals durfte wegen Corona niemand selbst an das Buffet. Und ich sah, wie hart viele Mitarbeitende arbeiteten: fünf bis sechs Tage die Woche, oft für ein Gehalt, das weit unter dem liegt, was man in Deutschland erwarten würde.
Ich wollte das erleben, nicht nur aus Erzählungen, sondern selbst spüren, wie es ist, für so einen Lohn zu arbeiten, Teil eines Teams zu sein – in einer anderen Sprache, an einem anderen Ort.
Ein halbes Jahr, das viel bewirkt hat
Nach sechs Monaten wusste ich, dass ich mich wieder mehr auf meine eigentliche Arbeit konzentrieren möchte – auf Yoga, Coaching, Schreiben. Finanziell hätte sich der Job auf Dauer nicht gelohnt. Aber ich habe unglaublich viel gelernt: über mich, über Madeira, über andere Lebensrealitäten.
Und vor allem habe ich Kontakte geknüpft, die bis heute bleiben – in Supermärkten, auf der Straße, bei Begegnungen im Alltag. Für mich war das echte Integration: nicht nur im Yogaraum zu sein, sondern mitten im Leben auf dieser Insel.